Die 5 Jahre Wartezeit haben sich nicht wirklich gelohnt
Von Christoph PetersenEin Brand in den legendären Cinecittà Studios in Rom, der im August 2022 die Dreharbeiten für „The Old Guard 2“ kurzzeitig lahmlegte, war wohl noch das kleinste Problem, das die lange verzögerte Fortsetzung belastete. Dabei hätte eigentlich alles ganz schnell gehen sollen. Immerhin avancierte der Fantasy-Actioner „The Old Guard“ nicht nur zu einem der meistgesehenen Netflix-Originale des Jahres 2020 …
… die thematisch an den „X-Men“-Mythos erinnernde Verfilmung der gleichnamigen Comics von Greg Rucka war auch viel besser, als die allermeisten wohl vorab erwartet hätten: Das Verhandeln von Untersterblichkeit erreichte tatsächlich eine berührend-tragische Tiefe – und die No-Nonsens-Action knallte auch gut rein. Vom neugierig machenden Teaser in der Mid-Credit-Sequenz mal ganz zu schweigen.
Aber dann begannen die Verzögerungen: Zunächst stieg Regisseurin Gina Prince-Bythewood aus, um stattdessen „The Woman King“ mit Viola Davis zu drehen – eine gute Entscheidung! Stattdessen kam die Serien-Regisseurin Victoria Mahoney („Lovecraft County“, „Grey’s Anatomy“) an Bord, um im Juni 2022 endlich mit den Dreharbeiten beginnen zu können. Doch dann passierte der eigentliche Supergau: Wenige Wochen nach Beginn der Postproduktion gab es bei Netflix einen Führungswechsel und das bereits fertig abgedrehte Projekt wurde ohne weitere Erklärungen auf Eis gelegt.
Als es dann doch wieder grünes Licht gab, kamen 2023 die Hollywood-Streiks – so konnten nötige Nachdrehs erst im September 2024 (also zwei ganze Jahre nach den eigentlichen Arbeiten) stattfinden. Das Ergebnis, das jetzt fünf Jahre nach „The Old Guard“ endlich bei Netflix erscheint, ist zwar längst nicht so schrecklich, wie man es nach dieser von Pech und Pannen geprägten Produktionsgeschichte hätte erwarten können. Aber nach dem vielversprechenden Erstling ist „The Old Guard 2“ doch eine herbe Enttäuschung.
Andy (Charlize Theron) ist nicht länger unsterblich. Aber ihr Team aus Unsterblichen führt sie trotzdem noch an: Gemeinsam mit Nile (KiKi Layne), Joe (Marwan Kenzari) und Nicky (Luca Marinelli) infiltriert sie etwa die schwerbewachte Villa eines Waffenhändlers – zum Wohl der Menschheit. Ganz anders sieht das allerdings Andys alte Freundin Quynh (Veronica Ngo), mit der sie einst 1.500 Jahre lang durch die Lande gestreift ist: Nachdem sie 500 Jahre lang in einer Eisernen Jungfrau auf dem Boden des Ozeans zugebracht hat, wo sie nach ihrer Wiederbelebung stets sofort aufs Neue ertrunken ist, hegt Quynh verständlicherweise einen gewaltigen Groll auf alle Sterblichen.
Mit dieser Wut im Bauch ist Quynh ein leichtes Ziel für die erste Unsterbliche überhaupt: Discord (Uma Thurman) hat offenbar vor, den Sterblichen den Kampf anzusagen – oder zumindest tut sie so, um Quynh für ihre Zwecke einzuspannen. In ihrer Not wendet sich Andy an den ebenfalls unsterblichen Tuah (Henry Golding), dessen Existenz sie bislang vor ihrem Team geheim gehalten hat. Tuah hat eine ganz besonders starke Verbindung zu anderen Unsterblichen – und weil er ständig von ihnen träumt, hält er seit Jahrhunderten all ihre Geschichten in Büchern fest…
Die Neuzugänge können durch die Bank nicht wirklich überzeugen: Henry Golding („Crazy Rich“) nimmt man die Rolle des einsiedlerischen Bibliothekars (quasi Professor X) trotz Weiser-Mann-Bart so gar nicht ab – und auch, wenn Veronica Ngo („Furie“) in den Martial-Arts-Sequenzen überzeugt, bleibt Quynhs unbändiger Hass nach einem halben Jahrtausend ununterbrochener Folter schmerzlich unterentwickelt. Selbst das erste Aufeinandertreffen zwischen Quynh (quasi Magneto) und Andy, von dem man sich im besten Fall ein Robert-De-Niro-und-Al-Pacino-im-Diner-in-„Heat“-Moment erwartet hätte, verläuft enttäuschend antiklimaktisch.
Uma Thurman nimmt hingegen bereits auf ihrem Charakterposter eine sicherlich nicht zufällig an „Kill Bill“ erinnernde Katana-Pose ein – aber als neue Oberbösewichtin erhält sie lange Zeit so wenig Screentime, dass sie kaum eine entsprechend-bedrohliche Aura entwickeln kann. Offenbar geht es bei ihr vor allem darum, sie schon mal für „The Old Guard 3“ in Stellung zu bringen. Aber ob der Trilogie-Abschluss nach all den Verzögerungen beim zweiten Teil tatsächlich noch kommt, steht trotz hoffnungsstiftenden Statements der Stars in Interviews in den Sternen. Schließlich konnte Charlize Theron nicht mal, als das Projekt auf Eis lag, genau sagen, was für ein Problem die Netflix-Entscheidungsträger eigentlich mit dem Film haben.
Was hingegen in „The Old Guard“ schon gut war, macht auch in der Fortsetzung Laune – es bleibt zwischen den neuen Figuren und einem Mehr an Plot nur eben viel weniger Zeit dafür: Charlize Theron („Monster“) ist immer noch Kickass – selbst, wenn die Actionszenen nicht mehr ganz so knackig und mitunter im Schnitt auch unnötig zerstückelt sind. Trotzdem gibt es einige kreative Einfälle, wie man mit der Selbstheilung in solchen Sequenzen schön fies und schmerzvoll umgehen kann: So klammert sich Nicky einmal an die offene Tür eines Sportwagens, der die engen italienischen Serpentinen entlangrast. Sein Fuß schleift dabei über den Asphalt – und gerade, als er ganz abzureißen droht, setzen doch noch die Wolverine-artigen Kräfte ein.
Matthias Schoenaerts („Der Geschmack von Rost und Knochen“) verzweifelt in der Rolle des im Vorgänger verstoßenen Booker unterdessen weiter an seiner Unsterblichkeit – während Marwan Kenzari („Aladdin“) und Luca Marinelli („Martin Eden“) immer noch eines der herzerwärmendsten schwulen Pärchen der Fantasyfilm-Geschichte abgeben. Mit dieser Truppe verbringt man – wie schon im Original – einfach gern seine Zeit – deshalb muss ich auch zugeben, dass ich einem „The Old Guard 3“ trotz des enttäuschenden Sequels durchaus nicht abgeneigt wäre. Die Chemie stimmt schließlich weiterhin – und uns mit einem offenen Ende wie in „The Old Guard 2“ hängenzulassen, wäre von Netflix auch nicht gerade fair. Dann hätten sie den zweiten Teil lieber gleich im Giftschrank liegen lassen sollen.
Fazit: Nicht direkt schlecht und wer „The Old Guard“ mochte, sollte sich das Sequel ruhig anschauen. Dennoch ist „The Old Guard 2“ dem Vorgänger, der uns mit seinem Mix aus Badass-Action und tiefer Tragik im Covid-Sommer 2020 so freudig überrascht hat, in jedweder Hinsicht unterlegen.