From The World Of John Wick: Ballerina
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
From The World Of John Wick: Ballerina

… und dann wird der Flammenwerfer rausgeholt!

Von Christoph Petersen

Alles begann mit einem ermordeten Beagle-Welpen namens Daisy – und der Rest ist Box-Office-Geschichte: „John Wick“ (weltweite Einnahmen: „nur“ 87 Millionen) startete als abgefahrener Geheimtipp für Action-Aficionados – und sammelt im Anschluss mit „John Wick 2“ (171 Millionen), „John Wick 3“ (326 Millionen) bis zum tragisch endenden „John Wick 4“ (440 Millionen) immer mehr Fans ein.

Kein Wunder also, dass das verantwortliche US-Studio Lionsgate dieses inzwischen milliardenschwere Popkultur-Phänomen nicht gemeinsam mit dem seelengepeinigten Titelhelden begraben wollte. Also wurde nach Möglichkeiten gesucht, die geheime Welt der Auftragsmörder*innen auch abseits der Hauptreihe weiter zu erkunden. Allerdings war der erste Ableger, die aus drei spielfilmlangen Episoden bestehende Prequel-Serie „The Continental“, nur mäßig erfolgreich.

Eine Beförderung zur rechten Zeit

Wohl auch wegen dieses ersten Rückschlags entschieden die Lionsgate-Verantwortlichen, den Stuntman und „John Wick 1 – 4“-Regisseur Chad Stahelski offiziell zum kreativen Kopf des Franchises zu befördern. Und das hatte auch entscheidende Auswirkungen auf das sich bereits mehrere Jahre in Entwicklung befindliche Leinwand-Spin-off „From The World Of John Wick: Ballerina“ von „Underworld“-Mastermind Len Wiseman:

Zum einen wurde der potenzielle Blockbuster mit Ana de Armas als todbringende Balletttänzerin aufgrund mehrmonatiger Nachdrehs, bei denen dann auch Chad Stahelski stärker eingebunden war, noch mal um ein ganzes weiteres Jahr verschoben. Was aber viel wichtiger ist: Der vor allem in die Action-Sequenzen geflossene Zusatzaufwand hat sich definitiv gelohnt – denn selbst wenn es noch etwas verhalten losgeht, knallt der Film spätestens im ausufernden Finale, wenn dann auch endlich die Flammenwerfer rausgeholt werden, so richtig rein.

Im Finale wird’s feurig! LEONINE
Im Finale wird’s feurig!

Überwiegend angesiedelt zwischen „John Wick 3“ und „John Wick 4“, wird die junge Eve (Victoria Comte) nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern vom Continental-Hotelmanager Winston (Ian MacShane) in einer Ballettschule für Waisenmädchen untergebracht. Allerdings lässt die Direktorin (Anjelica Huston) ihre Schülerinnen dort nicht nur so lange tanzen, bis ihre Spitzenschuhe blutdurchtränkt sind, sie bildet ihre Zöglinge zugleich auch zu ruchlosen Auftragsmörderinnen aus. Eve (nun: Ana de Armas) kanalisiert ihre ganze Wut und wird – ganz wie ihr großes Vorbild John Wick (Keanu Reeves) – tatsächlich zu einer gefürchteten Assassinin, die im Auftrag der Ruska Roma rund um den Globus Aufträge erledigt.

Aber dann fällt ihr bei einer ihrer Missionen ein Tattoo auf, das damals auch schon die heimtückischen Mörder ihres Vaters am Arm getragen haben. Eve stellt auf eigene Faust weitere Untersuchungen über die Bedeutung des Motivs an – und so pflastern nicht nur schnell dutzendweise Leichen ihren Weg. Ihr eigenmächtiges Vorgehen droht auch, den seit Jahrhunderten bestehenden Frieden zwischen zwei mächtigen Auftragsmörder-Brüderschaften zu beenden. Und sollte es tatsächlich zum Krieg kommen, wären die Folgen wohl kaum abzusehen, aber der Bodycount wäre mit Sicherheit sehr, sehr beträchtlich…

Kämpfe wie ein Mädchen!?

Als Eve im Ringkampf mit einem männlichen Kontrahenten unterliegt, gibt ihr die Direktorin den Tipp, dass sie „wie ein Mädchen“ kämpfen solle. Sie würde schließlich immer kleiner und schwächer als ihre Gegenüber sein, deshalb müsse sie „die Regeln des Spiels“ zu ihren Gunsten ändern und die körperlichen Nachteile irgendwie ausgleichen. Aber so richtig konnten sich die „Ballerina“-Macher dann wohl doch nicht dazu durchringen, dass ihre Protagonistin ständig nur durch Schummeleien gewinnt. Stattdessen entpuppt sich Eve dann doch recht schnell als weibliche Antwort auf John Wick – und das ergibt auch Sinn, schließlich wurde das ursprüngliche Drehbuch zwar als direkte Reaktion auf den Trailer zu „John Wick 2“, aber noch unabhängig vom „John Wick“-Universum verfasst. Fast schon eine Art professionelle Fan-Fiction also.

Aber das macht gar nichts. Denn nachdem die Rolle bei ihrem kurzen und wortlosen Cameo-Auftritt in „John Wick 3“ noch von der US-amerikanischen Profi-Ballerina Unity Phelan verkörpert wurde, übertrifft „Keine Zeit zu sterben“-Bondgirl Ana de Armas nun so ziemlich alle Erwartungen an die Glaubhaftigkeit ihrer physischen Durchschlagskraft. Nur 1,68 Meter groß und eher zierlich gebaut, wirkt es alles andere als lächerlich, wenn sie sich durch ganze Gegnerhorden ballert und prügelt. Stark gespielt? Spektakulär choreografiert? Geschickt geschnitten? Vermutlich alles drei. Aber ist ja eigentlich auch ganz egal, solange das Ergebnis stimmt.

Als der legendäre Baba Yaga (Keanu Reeves) auftaucht, kann sich Eve nicht sicher sein, ob er ihr helfen oder sie wie alle anderen ebenfalls töten will… LEONINE
Als der legendäre Baba Yaga (Keanu Reeves) auftaucht, kann sich Eve nicht sicher sein, ob er ihr helfen oder sie wie alle anderen ebenfalls töten will…

Dabei geht es im Prolog noch eher verhalten los. Wenn Froschmann-Assassinen nachts das Anwesen von Eves Eltern stürmen, gibt es zwar einige nette Einfälle, etwa wenn ein rauchender Wachmann von einer Harpune in die Brust getroffen wird, woraufhin der Qualm plötzlich aus dem zusätzlichen Loch herausquillt. Ebenfalls sehr gelungen ist eine Sequenz in einem Nachtclub, die erst dann einsetzt, als eigentlich schon alles vorbei ist. Aber wenn Eve nach getaner Arbeit wieder Richtung Ausgang schreitet und dabei all ihre verwendeten Waffen einsammelt, während Dutzende Leichen ihren Weg säumen, kann man sich sehr gut selbst im Kopf ausmalen, was man da gerade eigentlich alles „verpasst“ hat.

Trotzdem erinnert die erste Dreiviertelstunde noch eher an solide Blockbuster-Action aus den Neunzigern oder Nullerjahren, und damit eben noch nicht an den hemmungslosen Overkill, mit dem sich das „John Wick“-Franchise zuletzt immer breitere Mainstream-Fanschichten erschlossen hat. Aber im Verlauf des Films legt „Ballerina“ beständig zu – sowohl in Sachen spektakulärer Action, als auch in Bezug auf den allgemeinen (Größen-)Wahn beim Ausschmücken der globalen Auftragsmörder-Mythologie. So mutiert im erfreulich ausufernden Finale gar ein ganzes Alpendorf voller Auftragsmörder*innen zum Schauplatz eines wahrhaft spektakulären Scharmützels.

Wer hat’s gedreht? Ist doch egal, Hauptsache es knallt!

Es wäre eher müßig, jetzt noch mal genau auseinanderzufriemeln, welche Action-Szenen tatsächlich von Len Wiseman („Stirb langsam 4.0“) stammen und welche Chad Stahelski maßgeblich überarbeitet oder gar komplett neu gedreht hat. Aber wenn wir wetten müssten, würden wir sagen, dass Stahelskis Einfluss im Verlauf des trotz der Hintergrundgeschichte homogenen Films immer mehr zunimmt – bis dann endlich die Flammenwerfer ausgepackt (und erstaunlich lange nicht wieder eingepackt) werden.

Die Szenen wirken sogar noch spektakulärer, wenn man sich vorher ein Making-of reingezogen hat. Denn die Flammenwerfer-vs.-Feuerwehrschlauch-Sequenz, die fast schon an die Gut-gegen-Böse-Laserstrahlen aus Superman-Comics erinnert, stammt keinesfalls aus dem Computer, sondern wurde so tatsächlich so gedreht. Auch für solche Momente wurde die neue Oscar-Kategorie für die besten Stunts geschaffen – schade nur für Chad Stahelski, Len Wiseman und ihre Teams, dass diese erstmals bei der Verleihung im Jahr 2028 zum Einsatz kommen wird.

Fazit: Wahrscheinlich hätte „From The World Of John Wick: Ballerina“ mehr Zuschauer*innen in die Kinos gelockt, wenn er wie geplant kurz nach dem Megahit „John Wick 4“ gestartet wäre. Aber ganz ehrlich, dann doch lieber noch ein Jahr warten und dann so ein Ergebnis bekommen. Was die Qualität des finalen Films angeht, hat sich der zusätzliche Aufwand, gerade in den Action-Sequenzen, offensichtlich voll ausgezahlt.

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